Goal100 Windereport 2025_2
Fortschrittsbarometer des Ausbaus der Windenergie an Land und Fahrplan bis 2030

Übersicht
Vorbemerkung
Die vorliegende Ausgabe des Goal100 Windreports 2025_2 dokumentiert den Fortschritt beim Ausbau der Windenergie an Land im ersten Quartal 2025 und basiert auf aktuellen Daten zu den Genehmigungs-, Realisierungs- und Betriebsphasen von Windenergieanlagen aus dem Goal100 Windenergie-Monitor, der unter goal100.org abrufbar ist. Diese Daten wurden bei den Umweltämtern und Ministerien der Bundesländer sowie aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur erhoben.
Die Analyse dieser Daten ermöglicht eine umfassende Darstellung der sogenannten Windkraft-Pipeline – der Gesamtheit aller Windenergieprojekte in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Diese Pipeline umfasst sowohl Neuprojekte als auch Repowering-Vorhaben, bei denen ältere Anlagen durch leistungsstärkere ersetzt werden. Siehe im Detail dazu auch die erste Ausgabe des Goal100 Windreports 2025_1.
Neben der bundesweiten Ausbaudynamik werden erstmals auch bundes- landspezifische Prognosen zum Windenergieausbau auf Basis des Datenstandes vom 31.03.2025 vorgestellt.
Als vierteljährliches Update bietet der Windreport einen Überblick über die gegenwärtige Ausbausituation sowie die zu erwartende Dynamik des Ausbaus der Windenergie an Land. Der Report dient als Evaluierungs- und Steuerungsinstrument, um den Ausbau der Windenergie an Land im Hinblick auf das im Erneuerbare-Energien-Gesetz verankerte Ausbauziel periodisch zu überprüfen.
Die in diesem Report enthaltenen Daten und Analysen basieren auf den aus dem Marktstammdatenregister verfügbaren Daten sowie den Genehmigungsdaten der Bundesländer. Die Informationen und Berechnungen stehen unter dem Vorbehalt der Vollständigkeit und Qualität dieser Daten (siehe dazu Kapitel 2).
Ergebnisse auf einen Blick
Im Jahr 2030 kann die installierte Windenergieleistung in Deutschland das im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Ausbauziel unter Berücksichtigung von Stilllegungen um etwa 2,6 Prozentpunkte übertreffen. Die Gesamtleistung könnte damit 118 Gigawatt (GW) erreichen. Rund 60% des avisierten Zubaus werden durch Anlagen beigetragen, die sich aktuell in der Genehmigungs- und Realisierungsphase befinden.
Diese Ausbaudynamik ist in erster Linie auf die historisch hohe Zahl genehmigter Windenergieanlagen zurückzuführen. Um dieses Tempo beizubehalten, ist jedoch auch eine Steigerung der neu in das Genehmigungsverfahren eintretenden Anlagen erforderlich.
1. Prognoseergebnis bestätigt
Deutschland kann sein Ausbauziel von 115 Gigawatt im Jahr 2030 erreichen. Mit den Entwicklungen des Ausbau des ersten Quartals 2025 bleibt die Windenergie auf Kurs zur Zielerreichung der Ausbauziele bis 2030.
3. Genehmigungszeiten bundesweit weiter reduziert
auf durchschnittlich 19 Monate je Verfahren. Deutliche regionale Reduzierungen wie z.B. in Baden-Württemberg bei steigendem Volumen zeigen bestehendes Potenzial von Maßnahmen für andere Regionen auf.
5. Datenverfügbarkeit und -beschaffung weiterhin kritische Schlüsselaufgabe
Antragsdaten sind nur für 9 von 16 Bundesländern verfügbar. Das große verwaltungsinterne und öffentliche Interesse an den hier vorliegenden Daten ist ein starkes Argument für mehr Datentransparenz auf Seiten der fehlenden Bundesländer.
2.
Ausbau der Windenergie an Land bleibt dynamisch
mit aktuell über 3 Gigawatt jährlichem Zubau; diese Dynamik wird absehbar bis 2030 auf 10 GW pro Jahr zunehmen. Damit wird der Trend der letzten 2 Jahre aktuell weiter gehalten, mit Aussicht auf Steigerung.
4. “Hockeystick-Entwicklung” für Nachzügler-Bundesländer
gegen Ende der 20er-Jahre absehbar. Diese Entwicklung ist realistisch gemacht worden durch 2-%-Flächenziele in § 3 WindBG und wird aufgrund der beobachteten Antragsdynamik in den betroffenen Bundesländern auch erwartet.
1. Ausbau der Windenergie an Land auf Bundesebene
1.1 Das Frühjahr 2025 (Q1)
Die Windenergie an Land weist im frühen Jahresverlauf 2025 eine hohe Ausbaudynamik auf. Im ersten Quartal 2025 wurde mit genehmigten Projekten im Umfang von 3,9 Gigawatt (GW) ein neuer Rekordwert für ein Frühjahrsquartal erreicht. Die positive Entwicklung der Vorquartale setzt sich damit fort. Auch bei den Inbetriebnahmen ist ein deutlicher Zuwachs zu verzeichnen, denn rund 1 GW neue Leistung ging ans Netz, verglichen mit 0,7 GW im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die beantragte Leistung lag im ersten Quartal 2025 bei rund 3 GW (hochgerechnet auf Bundesebene) – ein Volumen, das dem gesamten realisierten Zubau des Jahres 2024 entspricht. Diese beantragte Leistung könnte künftig in Betrieb gehen und deutet darauf hin, dass in den kommenden Jahren mit einer deutlichen Beschleunigung des Ausbaus zu rechnen ist, wie die nachfolgende Abbildung zeigt (Abbildungen 1 - 3). Eine solche Entwicklung ließ sich aus den bisherigen Inbetriebnahmedaten nicht erkennen und war auch auf Grundlage der Genehmigungszahlen nur eingeschränkt prognostizierbar.

1.2 Fokus Genehmigungsdauer
Diese gesteigerte Dynamik in der Genehmigungsphase ist eindrücklich. Ein genauerer Blick in die Daten zeigt darüber hinaus, dass dies nicht nur für die wachsenden Volumina gilt, sondern auch für die erhöhte Geschwindigkeit der Genehmigungsverfahren. Die durchschnittliche Genehmigungsdauer auf Bundesebene ist im Q1 2025 weiter zurückgegangen und liegt nun bei 19,5 Monaten (vgl. Abbildung 4). Im Vergleich zum Vorjahr entspricht dies einer Reduktion von 9,5 %. Die durchschnittliche Genehmigungsdauer wurde damit auf ein Niveau gesenkt, das zuletzt vor rund zehn Jahren erreicht wurde.

1.3 Prognoseszenario für das Jahr 2030
Unter Annahme gleichbleibender Rahmenbedingungen und auf Basis der erhobenen Genehmigungsdaten wird erwartet, dass Deutschland bis 2030 eine installierte Gesamtleistung von rund 117 GW erreicht (vgl. Abbildung 5). Damit würde das im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2023 verankerte Ausbauziel von 115 GW erreicht werden (bzw. um etwa 1,7 % überschritten).
Deutschland: Prognose für bereits beantragte und genehmigte Projekte
- Szenario Leistung die Anfang 2025 im Planungsverfahren wäre, und bis zum jeweiligen betrachteten Jahr in Betrieb gehen wird
- Genehmigungsphase Leistung die Anfang 2025 im Genehmigungsverfahren war, und bis zum jeweiligen betrachteten Jahr in Betrieb gehen wird
- Realisierungsphase Leistung, die Anfang 2025 in Realisierung war, und bis zum jeweiligen betrachteten Jahr in Betrieb gehen wird
- Betriebsphase Leistung, die bereits Anfang 2025 in Betrieb war
- Stilllegung Bis zum jeweiligen Jahr stillgelegte Leistung
- Zielwerte Zielwerte offiziell Zielwerte Goal100
Die Prognosen für die einzelnen Bundesländer
Damit liegt der erwartete Bruttozubau bis 2030 bei 66 GW. Unter Berücksichtigung voraussichtlicher Stilllegungen in Höhe von etwa 12,4 GW ergibt sich ein Nettozubau von rund 53,6 GW. Die Entwicklung zeigt dabei allerdings deutliche regionale Unterschiede, wie in Kapitel 2 dargestellt.
Im Vergleich zur Prognose des Windreports 2025_1 ergeben sich nur geringe Abweichungen und bewegen sich im Rahmen üblicher Schätzunsicherheiten. Die frühere Prognose auf Basis der Daten bis Ende 2024 ging von einer Gesamtleistung von 118 GW aus, was 2,6 % über dem Zielwert des EEG lag. Die aktuelle Prognose erwartet nun 117 GW, entsprechend 1,7 % über dem Ziel. Insgesamt stabilisiert sich das Szenario damit weiterhin oberhalb der gesetzlich festgelegten Ausbauvorgabe.
2. Ausbau der Windenergie an Land auf Länderebene
Neben der bundesweiten Entwicklung bleibt die regionale Perspektive zentral, da sich die Ausbaudynamik in den einzelnen Bundesländern weiterhin deutlich unterscheidet (vgl. Abbildung 6). Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern zählen zu den führenden Ländern beim erwarteten Zubau in absoluten Zahlen. Gleichzeitig legen auch mitteldeutsche und südliche Bundesländer wie Sachsen und Baden-Württemberg an Ausbaugeschwindigkeit zu. Dort zeichnet sich ab, dass die installierte Leistung bis 2030 im Vergleich zum heutigen Stand mehr als verdoppelt werden kann.

Laut der Prognose wird die Zahl der Stilllegungen in Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt besonders hoch ausfallen – sowohl absolut als auch im Verhältnis zur bestehenden Leistung. In diesen Bundesländern wurde die Windenergie vor über 20 Jahren erstmals großflächig ausgebaut, sodass nun verstärkt Altanlagen das Ende ihrer Betriebsdauer erreichen werden. Trotz der hohen Stilllegungszahlen wird in sämtlichen Bundesländern ein deutlicher Nettozubau erwartet, da die aktuellen Zubauraten ausreichend hoch ausfallen, um den Rückgang mehr als auszugleichen.
Aus diesen Stilllegungen ergibt sich grundsätzlich ein erhebliches Potenzial für sogenanntes “Repowering” – also den Ersatz älterer Anlagen durch leistungsstärkere Neubauten am selben Standort. Für eine quantitative Einordnung entsprechender Vorhaben stehen derzeit jedoch nicht genügend verfahrensspezifische Daten zur Verfügung.
Ein verlässlicher und nachhaltiger Fortschritt beim Ausbau der Windenergie lässt sich nur durch das Zusammenspiel regionaler Entwicklungen erreichen. Die folgenden Kapitel widmen sich daher einer genaueren Betrachtung ausgewählter Bundesländer. Ziel ist es, durch diesen Vergleich bundeslandspezifische Dynamiken herauszuheben, die für das Verständnis regionaler Entwicklungen bedeutsam sind. Neben variierenden Ausbauvolumina treten dabei auch erhebliche Unterschiede bei Genehmigungsdauern, Realisierungszeiten und dem Antragsgeschehen zutage. Deutschlandweit gilt, dass Genehmigungszeiten reduziert werden konnten, während gleichzeitig die Anzahl genehmigter Anlagen gestiegen ist. Dieser Trend ist entsprechend auch in den meisten Bundesländern erkennbar (vgl. Abbildung 7).

2.1 Nordrhein-Westfalen: Das Vorzeige-Bundesland mit Signalwirkung
Aktuelle Entwicklungen
Nordrhein-Westfalen gilt als verlässlicher Treiber des Windenergieausbaus und setzt Maßstäbe in Bezug auf Kontinuität und Effizienz. Mit einer installierten Leistung von 8,1 GW zählt es zu den führenden Regionen in Deutschland. Trotz hoher Antrags- und Genehmigungsvolumina im ersten Quartal 2025 weist es eine der kürzesten durchschnittlichen Genehmigungsdauern auf – lediglich 15 Monate, mit einigen Vorreiter-Landkreisen (vgl. Abbildung 8). Ergänzt wird das Ausbaupotenzial durch 5,6 GW beantragter sowie 7,8 GW bereits genehmigter Leistung.
Das aktualisierte Prognoseszenario deutet darauf hin, dass das aktuelle Momentum von Nordrhein-Westfalen verstetigt werden kann. Für das Jahr 2027 wird ein Zubauhöhepunkt von knapp 5 GW erwartet. Bis 2030 könnte die installierte Leistung damit auf rund 23,6 GW ansteigen – was einer Übererfüllung des ursprünglichen Ausbauziels um mehr als 50 % entspräche (vgl. Abbildung 10). Diese Annahme wird durch 13,4 GW an realen Projekten gestützt, die sich jetzt schon in der Pipeline befinden.

Ausbau- und Flächenziele
Mit der im September 2024 verabschiedeten Energie- und Wärmestrategie des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich die Landesregierung ambitionierte Zielkorridore für den Ausbau der Windenergie gesetzt. Die installierte Leistung soll demnach von derzeit rund 8 GW bis zum Jahr 2030 auf einen Zielkorridor von 13 bis 15 GW anwachsen und bis zum Jahr 2045 auf 18 bis 23 GW steigen. Zur Erreichung dieser Ausbauziele hat Nordrhein-Westfalen zudem beschlossen, das im Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) festgelegte Flächenziel von 1,8 % der Landesfläche für Windenergie bereits bis Ende 2025 umzusetzen – und damit sieben Jahre früher als bundesrechtlich vorgesehen. In diesem Zuge wurde insbesondere die planerische Flächenverteilung durch die zweite Änderung des Landesentwicklungsplans Nordrhein-Westfalen (LEP NRW) rechtssicher und vereinfachend ausgestaltet. Die sechs Planungsregionen des Landes sind verpflichtet, in ihren jeweiligen Regionalplänen verbindliche Mindestflächenkontingente für Windenergiebereiche (WEB) auszuweisen. Die Verteilung der Flächen orientiert sich an den regionalen Ausbaupotenzialen und soll eine rechtssichere Umsetzung der landesweiten Ausbauziele gewährleisten.
Die hohe Zubauleistung im Jahr 2024 deutet darauf hin, dass die Landespolitik den Ausbau der Windenergie wirksam beschleunigt hat. Ambition und Umsetzung scheinen in diesem Fall stärker miteinander verknüpft zu sein als in mehreren anderen Bundesländern, in denen zwischen Zielsetzung und tatsächlichen Fortschritt größere Diskrepanzen bestehen.
2.2 Schleswig-Holstein: Das Vorreiter-Bundesland mit Rückenwind
Aktuelle Entwicklungen
Schleswig-Holstein weist als Windenergiepionier zum Ende des 1. Quartals 2025 einen Ausbaustand von 9 GW installierter Leistung aus, zuzüglich weiterer 1,7 GW aus beantragten und 2,4 GW aus bereits genehmigten Anlagen. Um jedoch das ausgewiesene Ziel für das laufende Jahr von 10 GW (siehe “Ausbau- und Flächenziele” in diesem Kapitel) zu erreichen, müsste bei der Inbetriebnahme bis zum Jahresende noch eine deutliche Beschleunigung erreicht werden, die Inbetriebnahme-Dynamik aus dem letzten Jahr würde dafür nicht ausreichen.
Trotzdem gilt im Gesamtblick: Die Bemühungen der frühen Jahre zeigen auch heute noch deutliche Erfolge. Das Bundesland hat viele seiner Aufgaben im Bereich der Windenergie an Land erfolgreich umgesetzt. Die kumulierte Leistung in der Prognose 2025_2 liegt für das Jahr 2030 bei 11,7 GW und kommt damit nah an das heute geltende Landesziel von 12 GW (vgl. Abbildung 11), bleibt allerdings deutlich hinter politischen Bekräftigungen der Landesregierung von 15 GW bis 2030 zurück. Mit einem vergleichsweise jungen Anlagenpark sind nur wenige Repowering-Verfahren und Stilllegungen in den kommenden Jahren zu erwarten.
Ausbau- und Flächenziele
Der Koalitionsvertrag von CDU und Bündnis 90/Die Grünen aus dem Jahr 2022 formuliert das Ziel, die installierte Windenergieleistung in Schleswig-Holstein bis 2025 auf 10 GW und bis 2030 auf 15 GW zu steigern. Das im selben Jahr aktualisierte Energiewende- und Klimaschutzgesetz (EWKG) sieht hingegen ein abweichendes Zielszenario vor und nennt 10 GW bis 2025 sowie lediglich 12 GW bis 2030. Mit dem im Dezember 2024 veröffentlichten Klimaschutzprogramm 2030 bekräftigte die Landesregierung wiederum das Ziel von 15 GW installierter Leistung bis 2030 und stellt damit eine inhaltliche Rückbindung an den Koalitionsvertrag her. Diese gesteigerte Ambition wird auch im im März 2025 novellierten Energiewende- und Klimaschutzgesetz des Landes Schleswig-Holstein erneut untermauert. Zwar wird darin kein spezifisches Ziel für die installierte Leistung der Windenergie genannt, das angestrebte Stromerzeugungsziel von 45 Terawattstunden (TWh) jährlich aus erneuerbaren Energien an Land bis 2030 würde jedoch einen erheblich gesteigerten Ausbau der Windenergiekapazitäten implizieren.
Die Flächenziele für Schleswig-Holstein liegen laut WindBG bei 1,3 % bis 2027 und bei 2,0 % bis 2032. Das Land strebt jedoch an, 3,0 % der Landesfläche bis 2027 auszuweisen bzw. das 2,0 %-Ziel bereits Ende 2027 zu erreichen. Die Umsetzung wird allerdings durch rechtliche Herausforderungen erschwert, was einen komplexen Neuplanungsprozess erfordert. Die leichte Diskrepanz zwischen dem 12 GW-Ziel im EWKG 2022 und dem politisch kommunizierten 15 GW-Ziel für 2030 deutet darauf hin, dass die politische Ambition die formale Gesetzeslage überholt hat.
2.3 Sachsen: Das Nachzügler-Bundesland mit mittelfristigem Potenzial
Aktuelle Entwicklungen
In Sachsen ist in den vergangenen zehn Jahren vergleichsweise wenig ausgebaut worden: von 1,1 GW im Jahr 2015 auf 1,4 GW im Jahr 2025. Ein Blick auf die vorliegenden Daten legt jedoch nahe, dass eine Kehrtwende bevorsteht: Von heute 1,4 GW kann ein Zuwachs auf 3,6 GW bzw. 257 % in 5 Jahren prognostiziert werden (vgl. Abbildung 12).
Dies leitet sich ab aus einer neuerdings hohen Zahl an beantragten Windprojekten, die in den kommenden Jahren auch voraussichtlich in Betrieb gehen werden. Diese starke Zunahme überkompensiert überdies auch die vergleichsweise hohen Stilllegungszahlen, die in Sachsen erwartet werden: Der bestehende Anlagenpark in Sachsen ist heute bereits vergleichsweise alt.
Als möglicher Grund für die gesteigerte Antragsdynamik ist hier zum einen die sogenannte “Flexibilisierungsklausel” in Sachsen zu nennen. Demnach kann unter Zustimmung der betroffenen Kommune von der Regionalplanung abgewichen werden, sodass Windprojekte auch außerhalb von Windvorranggebieten errichtet werden können. Zum anderen sind nur für etwa 50 % der Landesfläche Regionalpläne in Kraft, sodass Projektierer in den verbleibenden Gebieten noch vergleichsweise unkompliziert Bauanträge stellen können.
Ebenso wird Ende Juni (30.6.) 2025 eine EU-Notfall-Verordnung auslaufen, die bisher relativ schlanke Genehmigungsprozesse ermöglicht hat. Eine Umsetzung der EU-Nachfolgerichtlinie „RED III“ ist seitens der neuen Bundesregierung noch nicht erfolgt - es ist davon auszugehen, dass viele Projektierer noch von den schlanken Genehmigungsverfahren profitieren wollen und das Antragsvolumen aktuell daher gesteigert ist .
Ausbau- und Flächenziele
Im Koalitionsvertrag von CDU, Bündnis 90/Die Grünen und SPD aus dem Jahr 2019 hat sich der Freistaat Sachsen das Ziel gesetzt, bis 2030 eine zusätzliche Jahreserzeugung von 10 Terawattstunden (TWh) aus erneuerbaren Energien zu erreichen, mit einem Zwischenziel von 4 TWh bis 2024, wobei der Hauptanteil durch Windenergie gedeckt werden soll. Diese Zielsetzung wird auch im Energie- und Klimaprogramm (EKP) des Landes bestätigt. Dieses Ziel ist in Energieerzeugung (TWh) und nicht in Leistung (GW) formuliert. Die Umrechnung des Zwischenziels von 4 TWh deutete auf einen Bedarf von ca. 170 neuen State-of-the-Art-Anlagen bis 2024 hin.Trotz der bundesweit geltenden Vorgaben des Windenergieflächenbedarfsgesetzes (WindBG), nach denen Sachsen bis Ende 2027 mindestens 1,3 Prozent und bis Ende 2032 mindestens 2,0 Prozent seiner Landesfläche für die Windenergienutzung ausweisen muss, deuten jüngste politische Äußerungen auf eine mögliche Abkehr von diesem verbindlichen Flächenziel hin. Mit der Kritik am Flächenziel werden nicht die übergeordneten Ausbauziele für die erneuerbare Stromerzeugung infrage gestellt. Vielmehr wird ein technologieoffenes Ökostromziel angestrebt, das eine Abkehr von der Windenergie an Land als primärer Erzeugungsquelle impliziert. Dies schafft erhebliche politische Unsicherheit, trotz eines Anstiegs der Genehmigungen im Jahr 2024.
2.4 Baden-Württemberg: Das Effizienz-Bundesland mit (noch) schlankem Volumen
Aktuelle Entwicklungen
Baden-Württemberg kam bislang keine Vorreiterrolle beim Ausbau der Windenergie zu. Die momentan beantragte Leistung beträgt 2 GW, nahm jedoch im Q1 2025 leicht ab, da mehr Anträge genehmigt als gestellt wurden. Mit 0,8 GW genehmigter Leistung und 1,9 GW im Betrieb fällt auch der Rest der aktuellen Pipeline moderat aus. Auffällig sind jedoch zwei Punkte:
Hervorzuheben ist in Baden-Württemberg insbesondere die Dynamik der Genehmigungsdauern (vgl. Abbildung. 7, Kapitel 2): Mit nur 8 Monaten (seit Jahresbeginn) ist das Bundesland Spitzenreiter. Auch wenn die Volumina nur moderat steigen, geht dies doch mit einer drastischen Verkürzung der Genehmigungszeiten einher. Baden-Württemberg zeigt, dass eine Reduzierung der durchschnittlichen Genehmigungsdauer von 32 Monaten auf 8 Monate innerhalb von vier Jahren rechtssicher möglich ist - auch bei steigendem Volumen (vgl. Abbildung 7, Kapitel 2).
Entsprechend zeigt die Prognose, dass Baden-Württemberg das Volumen der Leistung bis 2030 auf 4 GW verdoppeln könnte (vgl. Abbildung 9).
Ausbau- und Flächenziele
In Baden-Württemberg ist seit 2023 das novellierte Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) in Kraft. Darin verankert ist das Ziel, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 65 % gegenüber 1990 zu senken und bis spätestens 2040 Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen (§ 10 Abs. 1 KlimaG BW).
Zur Erreichung dieser Klimaziele wurden auch ambitionierte Vorgaben zur Flächenausweisung für die Windenergienutzung formuliert. So gelten in Baden-Württemberg verbindliche regionale Teilflächenziele in Höhe von 1,8 % der jeweiligen Regionsfläche, die bereits bis September 2025 erreicht werden sollen – und damit deutlich früher als es das bundesweite Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) vorsieht.
Nach Plänen der Landesregierung sollen bis 2030 1.000 neue Windenergieanlagen installiert sein. Die von der Landesregierung 2021 eingesetzte Task Force Erneuerbare Energien hat zahlreiche Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien insgesamt erarbeitet.
Vor diesem Hintergrund, unter Berücksichtigung der Entwicklung der Projekte im frühen Stadium der Pipeline, zeichnet sich ein möglicher „Hockeystick” in der Entwicklung des Ausbaus in Baden-Württemberg ab.
3. Ausblick: Stabilisierung der Ausbaudynamik
Der Ausbau der Windenergie an Land setzt den positiven Trend der vergangenen Quartale fort. Zu Jahresbeginn konnte die Ausbaudynamik der gesamten Windenergie-Pipeline im Vergleich zum Vorjahresquartal nochmals gesteigert werden. Insbesondere das Volumen der beantragten Leistung auf Bundesebene erreichte im ersten Quartal 2025 ein Niveau, das dem gesamten realisierten Zubau des Jahres 2024 entspricht. Darüber hinaus wurde ein neuer Rekordwert bei genehmigten Windprojekten verzeichnet. Diese Projekte können – bei erfolgreicher Realisierung und Inbetriebnahme – perspektivisch zu einer Übererfüllung der politisch gesetzten Ausbauziele im Bereich der installierten Windenergieleistung an Land beitragen.
Gleichzeitig ist die durchschnittliche Genehmigungsdauer im Bundesdurchschnitt signifikant gesunken – und das trotz gestiegener Anzahl an Projektanträgen. Auch die bundesweiten Realisierungsdauern konnten weiter reduziert werden. Die positive Entwicklung des Jahres 2024 wird damit nicht nur bestätigt, sondern nachhaltig gefestigt.
Die gegenwärtige und zu erwartende Ausbaudynamik ist maßgeblich auf eine Vielzahl von Maßnahmen der Ampelkoalition (2021–2024) zurückzuführen, um den Ausbau der Windenergie an Land zu beschleunigen. Zu diesen zählt stellvertretend das bereits erwähnte Windenergieflächenbedarfsgesetz (2022), welches eine bundesweit verbindliche Verpflichtung der Länder zur Ausweisung ausreichender Flächen für Windenergieanlagen schafft. Ergänzend dazu wurde im Jahr 2023 im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegt, dass der Ausbau erneuerbarer Energien sowie der Stromnetze im überragenden öffentlichen Interesse liegt und der öffentlichen Sicherheit dient. Durch diese rechtliche Priorisierung werden Genehmigungsverfahren vereinfacht und die Position von Windenergieprojekten in behördlichen Abwägungen gestärkt.
Zur weiteren Verfahrensbeschleunigung wurden bundeseinheitliche Standards für den Artenschutz eingeführt, welche die Prüfzeiten verkürzen und die Rechtssicherheit erhöhen. Zusätzlich ermöglichen sogenannte Beschleunigungsgebiete ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren in Bereichen, in denen keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind (vgl. „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung”). In der Gesamtschau hat sich dadurch eine spürbare Dynamik im Ausbau der Windenergie entwickelt, wie die Daten zeigen.
Um die prognostizierte Ausbaudynamik zu sichern, die derzeitige Entwicklung fortzusetzen und die nationalen Ausbauziele zu erreichen, ist es erforderlich, die bestehenden gesetzlichen Rahmenbedingungen beizubehalten und Planungssicherheit für die Zusammenarbeit von Bund, Ländern, Kommunen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu schaffen.
Ein zentraler Beitrag zur Sicherung der aktuellen Ausbaudynamik liegt in der Verstetigung der bislang ergriffenen Maßnahmen zur Entbürokratisierung und Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Bereich der Windenergie an Land, da diese bereits spürbare Wirkung entfalten. Insbesondere Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg setzen mit gezielten gesetzlichen Anpassungen, dem Einsatz digitaler Instrumente sowie dem systematischen Kapazitätsaufbau in den Genehmigungsbehörden neue Maßstäbe. Diese erfolgreichen Beispiele verdeutlichen das Potenzial einer konsequenten Weiterentwicklung und sollten als Modell für eine bundesweite Übertragung herangezogen werden.
Eine dämpfende Wirkung könnte das Auslaufen der EU-Notfallverordnung im Juni (30.06.) 2025 darstellen. Diese hat bislang vergleichsweise schlanke Genehmigungsverfahren ermöglicht und zuletzt zu einem erhöhten Antragsvolumen geführt. Ohne eine rechtzeitige Umsetzung der Nachfolgeregelung der EU-Richtlinie „RED III“ ist davon auszugehen, dass sich die Genehmigungszeiten ab Juli 2025 wieder verlängern. Dies könnte spürbare Auswirkungen auf die Ausbauprognosen bis 2030 haben.
Abschließend ist hervorzuheben, dass eine effektive Steuerung des Windenergieausbaus auf eine belastbare und transparente Datengrundlage angewiesen ist. Für eine präzise und vorausschauende Planung entlang der gesamten Projektpipeline ist eine umfassende, standardisierte und kontinuierlich verfügbare Datenerhebung und -auswertung unerlässlich. Die in mehreren Bundesländern bereits angestoßenen Initiativen zur Verbesserung der Datenverfügbarkeit sollten daher gezielt weiterentwickelt, untereinander abgestimmt und in ein bundesweit einheitliches System überführt werden, um eine konsistente und wirkungsvolle Ausbauplanung zu gewährleisten.
Bitte zitieren als:
Goal100 Windreport 2025_2
Autorinnen und Autoren:
Goal100: Anja Kielmann, Kevin Krämer, Bahne Carstensen, Jakob Ortmann, Katharina Alefs, Gunnar Oehmichen
DWR eco: David Wortmann, Hendrik Flügel, Jakob Medick
Über Goal100
Goal100 ist ein unabhängiger Thinktank, der den schnellen und günstigen Ausbau erneuerbarer Energien über Datentransparenz zum Ausbaustand und die Verbreitung von guten Praxisbeispielen beschleunigen will. Hervorgegangen ist Goal100 aus der ehrenamtlichen Initiative der Climate Action Dinner, die seit 2022 Wissenschaftler:innen, Unternehmer:innen, Künstler:innen, Musiker:innen, Sportler:innen und Aktivist:innen miteinander vernetzt, um aus der Gesellschaft heraus konkrete Projekte für Klimaschutz und Demokratie umzusetzen. Initial wurde Goal100 als Mission innerhalb der gemeinnützigen Organisation Project Together aufgesetzt und wird finanziell u.a. von Google.org unterstützt.
Beirat: Henrike Schlottmann, David Wortmann, Milan Nitzschke, Tobias Bauckhage
Danke für die Initiative, für Impulse und Mitarbeit: Lars Jessen, Tobias Bauckhage, Paul Keuter, David Wortmann, Boris Wasmuth, Nicole Wasmuth-Zabel, Maja Göpel, Mathias Toetzke, Anna Forster, Matthias Riegel, Friederike Keitlinghaus, Tim Meyer, Michael Jankowski, Max Schwinn, Florian Kotthoff, Carolin Friedemann, Clara Mewes, Christian Grauvogel, Peter Keller, Jürgen Quentin und unsere Ansprechpartner:innen und Unterstützer:innen in den Landesumweltämtern und Ministerien .