Daten & Methodik des Prognosemodells
Daten
Positive Veränderung durch Daten
Grundlage unserer Arbeit sind Daten. Wir nutzen sie als Beobachtungspunkte, um Entwicklungen und Veränderungen besser zu verstehen.
Der Ausbau der Windenergie ist dann erfolgreich, wenn genug Kapazität in Zukunft ans Netz gehen kann. Der Fortschritt im Ausbau ist messbar und steuerbar, wenn zwei Fragen beantwortet werden können:
Wie viel Kapazität ist aktuell im Betrieb, und wie viel befindet sich in der “Windkraft-Ausbau-Pipeline (also in der Genehmigungs- und Realisierungsphase) und könnte somit in Zukunft ans Netz gehen? Und reichen die dadurch erwarteten Ausbauvolumina aus, um das EEG Ziele für die Windenergie an Land zu erreichen?
Der Fortschritt des Ausbaus der Windenergie an Land lässt sich anhand mehrerer Indikatoren messen. Die wichtigsten davon sind:
Installierte Kapazität (Bestand): Eine zentrale Kennzahl ist die gesamte installierte Leistung an Windenergieanlagen (in Gigawatt). Hier wird die tatsächlich ans Netz angeschlossene kumulierte Kapazität erfasst, die durch den jährlichen Zubau von Windkraftanlagen gesteigert wird. Datenquelle hierfür ist das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur.
Anträge, Genehmigungen, Inbetriebnahmen und Stilllegungen (Flussgrößen): Der Fortschritt wird ebenfalls daran gemessen, wie viele Windenergieprojekte pro Jahr neu beantragt, genehmigt und wie viele Anlagen in Betrieb genommen werden. Die Bundesnetzagentur und Länderbehörden stellen Informationen über Antragsstellungen, Genehmigungen, Inbetriebnahmen, und Stilllegungen zur Verfügung.
Eine zentrale Instanz, die alle relevanten Informationen integriert und so strukturiert, dass nachvollzogen werden kann, wo wir stehen und was in den nächsten Jahren kommt, existierte bislang nicht.
Um eine vollständige und handlungsorientierte Gesamtschau herzustellen, tun wir zweierlei:
Wir strukturieren unsere Sicht auf Windkraftanlagen nach den Schritten ihrer Entstehung, also dem Prozess von der Planung über die Genehmigung zur Realisierung und den Betrieb (siehe dazu Prozess).
Gleichzeitig verbinden wir die Daten aus den verschiedenen Quellen auf Basis ihrer Koordinaten für einzelne Windkraftanlagen zu einer eindeutigen Goal100 ID. So können wir anlagengenau nachvollziehen, in welchem Prozessschritt sich eine Windkraftanlage befindet.
Die im Monitor abgebildeten Daten beziehen wir aus dem öffentlich zugänglichen Marktstammdatenregister sowie aus den Bundesländern. Für eine detaillierte Übersicht aller Quellen siehe hier.
I. Marktstammdatenregister (MaStR)
Hintergrund: Das Marktstammdatenregister (MaStR) wird von der Bundesnetzagentur (BNetzA) betrieben und bietet eine zentrale Datenbank zu Energieanlagen in Deutschland, einschließlich detaillierter Informationen zum Status und Ausbau der Windenergie. Nach dem Erhalt einer Genehmigung müssen Anlagen dort innerhalb einer Frist registriert werden.
Nutzung: Das MaStR dient der Transparenz auf dem Energieerzeugermarkt und liefert Stakeholdern wie politischen Entscheidungsträgern, Energieplanern und Forschern verlässliche Daten zur Überwachung, Steuerung und Prognose der Energiewende.
Inhalt: Erfasst werden Stammdaten der Windenergieanlage, das Datum der Registrierung, gegebenenfalls das Datum der Inbetriebnahme und Stilllegung, die Leistung und der Betreiber.
Weitere Informationen finden Sie auf der MaStR-Website.
Datenabruf: Wir rufen die Daten aus dem Marktstammdatenregister täglich über das Open Source Tool open-MaStR ab. Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung überprüft diese Datensätze, wobei die Position und die technischen Details der einzelnen Anlagen validiert werden. Der von uns genutzte Datensatz ist Stand 20.4.2023 und aktualisiert knapp 30.000 Einträge. Diese überarbeiteten Daten werden ebenfalls in unser Portal eingespielt.
Darüber hinaus werden im MaStR manchmal Genehmigungsdaten und weitere Datenpunkte nach erteilten Änderungsgenehmigungen überschrieben. Dafür nehmen wir eine Korrektur vor, um die Erstgenehmigungsdaten zu erhalten (siehe Datenverfügbarkeit und Quellen)
II. Daten aus den Bundesländern
Hintergrund: Für die Genehmigungsphase rufen wir Daten bei den Umweltämtern der Länder ab. Es werden die Stammdaten, technische Details, den Status des Antrags, das Datum des Antrags sowie das Datum und das Ergebnis des Entscheids (z. B. Zusage, Ablehnung), sofern dieser bereits ergangen ist, erfasst.
Nutzung: Die Konsolidierung von Daten der Landesumweltämter ermöglicht eine neue Transparenz in der Genehmigungsphase. Ebenso wird es möglich, anhand der aktuellen durchschnittlichen Dauer und der Kapazität in dieser Phase, Prognosen zum Zubau durch diese Projektpipeline in den Bundesländern zu treffen.
Inhalt: Es werden die Stammdaten, technische Details, den Status des Antrags, das Datum des Antrags sowie das Datum und das Ergebnis des Entscheids (z. B. Zusage, Ablehnung), sofern dieser bereits ergangen ist, erfasst.
Datenabruf: Die angefragten Daten werden quartalsweise bei den Behörden angefragt. Diese Daten werden von uns aufbereitet, verarbeitet und konsolidiert.
III. Informationen aus Tiefeninterviews
Wir haben über 100 qualitative Interviews mit verschiedenen Stakeholdern der Windenergiebranche durchgeführt, um eine umfassende 360-Grad-Perspektive zu entwickeln. Als neutraler Akteur haben wir mit Kommunalpolitiker:innen, Projektentwicklern, Verbänden, Bürger- und Umweltorganisationen sowie vielen weiteren gesprochen.
Daraus haben sich detaillierte und vielfältige Einsichten in den Sektor und die Vorgänge dort ergeben, sowie Konsolidierungen und Bestätigungen der Phasen in der Entwicklung von Windenergieanlagen (s.o.), inklusive üblicher Dauern in den einzelnen Abschnitten und den Treibern dafür.
Datenvollständigkeit
Eine Übersicht über die vorhandenen Datensätze und deren Vollständigkeit finden Sie hier.
Prozesse zur Validierung
Validierung der Daten erfolgt durch interne Qualitätssicherungsprozesse, die eine regelmäßige Kontrolle der Daten und Sanity- und Cross-Checks mit anderen öffentlichen Quellen (z.B. Fachagentur Wind und Solar) beinhalten. Wie zuvor erläutert, nutzen ebenfalls die vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung korrigierten Marktstammdatenregister-Daten.
Methodik des Prognosemodells
Ob die Ausbaudynamik der Windenergie ausreichend ist, um die Klimaziele zu erreichen, oder zusätzlicher Handlungsbedarf besteht, lässt sich mit Prognosen schätzen. Das Goal100 Prognoseszenario basiert auf den Daten der Genehmigungs- und Realisierungsphasen von bereits existierenden Projekten.
Jedes Windprojekt durchläuft bis zur Inbetriebnahme die zentralen Projektphasen (Abbildung siehe unten) der Genehmigung, Realisierung und Inbetriebnahme - die “Windkraft-Pipeline”.
![](https://cms.goal100.org/media/pages/prozess-wissen/wie-wir-bei-goal100-arbeiten/50a0cc0c38-1738788039/graphic-modell-2-1200x.webp)
Für die Quantifizierung der Phasen in der Windkraft-Pipeline werden Windenergieanlagen berücksichtigt, die eine Neugenehmigung beantragt haben, sowie solche, die zuvor bestehende Anlagen ersetzen - das sogenannte Repowering (Änderungsgenehmigungen nach §16b BImSchG).
Ausgehend von den aktuellen Bearbeitungszeiträumen sämtlicher Windenergieanlagen über den Verlauf der “Windkraft-Pipeline” prognostizieren wir zukünftige Genehmigungen und Ausbau. Anhand der in den Genehmigungsanträgen erfassten Anlagengröße wird bestimmt, wie viel Leistung tatsächlich genehmigt würde und in die Realisierung überginge. Zusätzlich beenden nicht alle Anlagen jede der Phasen erfolgreich, weshalb wir Erfolgswahrscheinlichkeiten in der Genehmigungs- und der Realisierungsphase berücksichtigen.
Mit genauem Blick auf die aktuelle Genehmigungsdynamik können wir so besser einschätzen, ob der Ausbau der Windenergie sich auf dem Zielpfad befindet - oder ob nachgebessert werden muss.
Modellannahmen im Detail
Phasendauer: Der Übertritt in die nächste Projektphase wird nach dem Ablauf der durchschnittlichen Dauer der letzten 12 Monate bundeslandspezifisch angenommen. Zusätzlich wird angenommen, dass die so berechnete Dauer der jeweiligen Projektphasen in den kommenden Jahren in jedem Bundesland konstant bleibt. Beispiel: Wenn Genehmigungsprozesse in Nordrhein-Westfalen über das letzte Jahr im Schnitt 14 Monate gedauert haben, nehmen wir an, dass der Genehmigungsprozess in Zukunft ebenso 14 Monate lang sein wird - und eine in die Phase eingehende Anlage nach 14 Monaten beschieden ist.
Auftragseingänge: Weiterhin wird angenommen, dass das Volumen von Genehmigungsanträgen, also Windanlagen, die neu in die Genehmigungsphase eintreten, dem Durchschnitt der letzten 12 Monate pro Bundesland entspricht. Damit wird sozusagen die Windkraft-Pipeline weiter befüllt. Beispiel: wenn in NRW über das letzte Jahr 12 GW beantragt wurden, nehmen wir an, dass in Zukunft ebenso 12 GW pro Jahr beantragt werden.
Erfolgswahrscheinlichkeit: Nicht alle Anlagen, die sich in der Genehmigungsphase auf eine Genehmigung bewerben, werden am Ende auch einen positiven Bescheid erhalten. Manche Projekte werden abgelehnt oder vom Antragsteller zurückgezogen. Daraus modellieren wir eine “Genehmigungswahrscheinlichkeit”, die die Kapazität, die in die Realisierungsphase übergeht, reduziert. Gleiches gilt für Anlagen in der Realisierungsphase.
EEG Zuschlagsmengen: Es werden die im EEG festgeschriebene Zuschlagsmengen als Obergrenze für den Eintritt in die Realisierungsphase angenommen und bis 2030 fortgeschrieben.
Stilllegungen: Stilllegungen können durch vielfältige Gründe erfolgen, z.B. durch regulatorische, technische, und ökonomische. Haupttreiber ist das Ende der EEG Förderdauer und Genehmigung nach 20 Jahren. Darauf basierend haben wir mithilfe von Experteninterviews eine Stilllegungskurve herleitet. Diese legt fest, welcher Anteil eines Jahrgangs nach welcher Dauer stillgelegt wird. Die Stilllegungsprognose für vergangene Jahre wird mithilfe der tatsächlichen Stilllegungen angepasst.
Extrapolation: Zum jetzigen Zeitpunkt liegen nicht für alle Bundesländer Daten aus der Genehmigungsphase vor (siehe Datenverfügbarkeit). Für die Bundesländer, für die keine entsprechenden Daten verfügbar sind, wird die Genehmigungsphase auf Basis eines gewichteten Durchschnitts der Bundesländer mit verfügbaren Daten angenommen (Die Genehmigungsphase der Bundesländer ohne Daten wird als gewichteter Durchschnitt aller Bundesländer mit Daten angenommen).
Die Annahmen für das Szenario fußen auf fundierten und aktuellen, das heißt der heutigen Sachlage entsprechenden Einschätzungen.
Diese können Änderungen unterliegen; unsere Ergebnisse und Aussagen müssen aber von einer gewissen Beständigkeit ausgehen, um Modellaussagen treffen zu können.